Täglich melden sich Menschen und bieten ihre Hilfe an, aktuell sind es 200 Bürgerinnen und Bürger. Zum zweiten Treffen kamen nun 150, um die nächsten konkreten Schritte zu beraten. Gemeinsam mit Thomas Schiller und Marc Miltner von der Gemeinde hatte eine Dossenheimer Familie eine Struktur für diesen Abend vorbereitet.

Aber der Reihe nach:
Zunächst informierten Bürgermeister Hans Lorenz, Fachbereichsleiter Thomas Schiller und die beiden vom Landratsamt für Dossenheim vorgesehenen Sozialarbeiter, Karen Maas und Dennis Eling, über die aktuelle Situation. Die drei Hotels (Hirsch, Kirchberg, Bären) werden zurzeit renoviert bzw. umgebaut. Vermutlich wird der “Bären” als erster bezugsfertig sein, weil hier bereits Brandschutzvorrichtungen vorhanden sind. Der Bezug (Familien sowie einige Einzelpersonen) könnte noch im September erfolgen. Die Arbeiten in den beiden anderen Hotels sind noch im Gange, Bezug (nur Familien) also erst im Oktober. Der Einzug wird von den Sozialarbeitern begleitet.

Es wird darum gebeten, die ersten Tage in aller Ruhe den Landratsamtsmitarbeitern zu überlassen. Erst danach ist ein gemeinsames Treffen mit Kaffee und Kuchen, vermutlich im Martin-Luther-Haus, vorgesehen. Die derzeitige Praxis des Landes ist so, dass erst drei bis vier Tage vor Ankunft der Flüchtlinge die Gemeinde erfahren wird, wer überhaupt kommt.

Über viele Detailfragen wurde informiert:

  • Ab wann darf ein Flüchtling arbeiten?
  • Sind gemeinnützige Tätigkeiten erlaubt?
  • Sind Vorbereitungsklassen an den Grundschulen vorbereitet?
  • Wie ist die Schulpflicht geregelt?
  • Wenn Kinder in den Kindergarten gehen sollen (was nicht in jeder Kultur üblich ist), was ist dann möglich und sinnvoll?
  • Wie ist das Zutrittsrecht der Helfer/innen zu den drei Hotels geregelt?
  • Was wissen wir über die verschiedenen Ethnien, die kommen werden? Wie sensibel sind wir für die zu erwartenden Unterschiede?
  • Sind Sicherheitsdienste vor den Hotels geplant?
  • Könnte man nicht einen Ratgeber erstellen, was man tun soll bzw. was nicht?
  • Stehen von Gemeindeseite Fahrzeuge zur Verfügung, wenn man für ein Gruppe der Flüchtlinge ein Freizeitangebot macht?
  • Kann ich jetzt schon Sachspenden wie Kleidung, Spiele oder Fahrräder abliefern?
  • Wo bzw. wen kann ich anrufen, wenn mir etwas Besonderes im Ort auffällt?

Angeregt wird, einen Ortsplan zu erstellen, auf dem mehrsprachig erklärt wird, wo sich bestimmte Einrichtungen wie Rathaus, Postamt, Geschäfte, Bücherei usw. befinden.
Ebenso wird angeregt, eine Internet-Seite einzurichten, auf der alle diese Fragen beantwortet werden bzw. Informationen zugänglich sind. Vorgeschlagen wurde auch, in einer Serie über die Menschen zu berichten, die in naher Zukunft in unserem Ort leben werden.

Alle diese Fragen und Anregungen wird der Arbeitskreis Asyl aufgreifen und beantworten. Wir bitten um Geduld.

Die anwesenden Helferinnen und Helfer teilten sich dann auf in die vorbereiteten Themen-Arbeitskreise: Deutschunterricht bzw. Dolmetscher; Angebote für Kinder und Jugendliche; Verwaltung von Sachspenden (Kleiderkammer, Spielzeug usw,); Patenschaften bzw. Alltagsbegleiter zu Behörden, Ärzten, zum Einkaufen, zur Bücherei, zur VHS, bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel usw.; konkrete Projekte wie Sport, Freizeit, Musik, Theater, Kunst, gemeinsam Kochen oder Gärtnern. Eine weitere Gruppe hieß einfach: “weiß noch nicht, habe Fragen”.

Ähnlich wie bei der Zukunftswerkstatt begann nun die Arbeit:
Bisher nicht bekannte Menschen lernten sich kennen, tauschten sich aus, verabredeten weitere Treffen. Es war sehr ermutigend, das an diesem Abend wahrzunehmen. Ansprechpartner für die jeweiligen Arbeitskreise wurden festgelegt, Protokolle erstellt, Verabredungen für die weitere Vorgehensweise getroffen.

Folgende Gremien wurden beschlossen:
AK 1: Deutsch, Dolmetscher, Sprachen
AK 2: Angebote für Kinder/Jugendliche
AK 3: Verwaltung Sachspenden, Kleiderkammer
AK 4: Patenschaften, Alltagsbegleiter etc.
AK 5: Projekte
AK 6: Verschiedenes, Pflege des Umfeldes (Kontakte Nachbarschaft)

Um einen optimalen Informationsaustausch zu gewährleisten, wurde ein so genannter “Steuerkreis” gegründet, dem Vertreter der Verwaltung und der Bürgerschaft sowie die Sprecher der einzelnen Arbeitskreise angehören. Aufgabe dieses Kreises ist es, die Kommunikation von oben nach unten, von unten nach oben und innerhalb der Arbeitskreise (alles für alle zur Kenntnis) zu organisieren.

Der nächste Schritt wird also sein, die Ideen der Arbeitskreise bekannt zu geben. Zu diesem Zweck hat sich aus dem Kreis der 200 Interessenten eine weitere Gruppe gegründet, die zunächst “Internetauftritt” heißt. Sie trifft sich – wie auch weitere Arbeitskreise – in diesen Tagen, um ihre Vorstellungen zu konkretisieren. Darüber wird in der nächsten Ausgabe der Gemeindenachrichten informiert.

 

Der Chronist dieses hier wiedergegebenen Abends im MartinLuther-Haus am 9. September 2015 erlaubt sich, auf einen historischen Zusammenhang aufmerksam zu machen, der öffentlich über das Internet zugänglich ist: www.dossenheim.de/Leben in Dossenheim/Kultur/ Geschichte Dossenheims.
Dort findet man in sieben Abschnitten eine kurze Darstellung der Geschichte Dossenheims – von der Frühzeit bis zum 20. Jahrhundert, zusammengestellt von Christian Burkhart. Hier einige Zitate:

18. Jahrhundert
Nachdem einzelne ihrer alten Heimat schon vorher den Rücken gekehrt hatten, kam es Mitte des 18. Jahrhunderts aufgrund der anhaltenden wirtschaftlichen Not vieler Menschen erstmals zu einer größeren Auswanderungsbewegung, vor allem nach Nordamerika. 

19. Jahrhundert
Während der Badischen Revolution von 1848/49 kam es am 21. Juni 1849 zwischen Handschuhsheim und Dossenheim zu einem Zusammenstoß revolutionärer Verbände und preußischer Truppen, welche später in den Ort einrückten und dort die demokratischer Gesinnung verdächtigen Bürger verhafteten. Abermals kam es zu einer größeren Auswanderungswelle nach Amerika.

20. Jahrhundert
Der im Jahr 1939 rund 4300 Einwohner zählende Ort veränderte sich nach 1945 durch Zuzug von außen, darunter ein großer Anteil Kriegsflüchtlinge aus dem im Bombenkrieg zerstörten Mannheim und Heimatvertriebene aus den ehemaligen Ostgebieten (über 1000 Personen).

Überträgt man diese historischen Tatsachen auf die heutige Debatte über “Wirtschaftsflüchtlinge”, politisch Verfolgte oder Menschen, die ihre Heimat verlassen, weil sie keinerlei Perspektive eines erfüllten und sicheren Lebens, auch für ihre Kinder, in ihrer alten Heimat sehen, dann hat man über vieles nachzudenken.

Asylkreis Dossenheim

Bericht vom Treffen des Arbeitskreises Asyl vom 09.09.2015